Innenansicht des Tunnels

Verfüllter Fluchttunnel an der Bernauer Straße 26 wird als Bodendenkmal ausgewiesen

Der Anfang Juni in der Bernauer Straße 26 entdeckte Hohlraum eines Fluchttunnels wurde auf Veranlassung der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH durch die beauftragte archäologische Grabungsfachfirma archaeofakt weiter untersucht. Der ca. 50 cm breite und ca. 70 cm hohe Hohlraum ist auf einer Länge von 13 m vollständig erhalten.

Gemeinsame Pressemitteilung des Landesdenkmalamtes Berlin und der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH

Die WBM errichtet in diesem Bereich einen Neubau und legte über dem Hohlraum bereits den Unterbau für die spätere Betondecke an, um den Neubau sicher gründen zu können. Für die Erkundung des Bauuntergrundes wurden drei Kernbohrungen durch den Hohlraum angelegt (Bohrloch 1 am Nordende des Hohlraums, Bohrloch 2 in der Mitte des Hohlraums, Bohrloch 3 am Südende des Hohlraums), die für die Verfüllung des Hohlraumes genutzt wurden.

Steffen Helbig, Geschäftsführer der WBM: „In enger Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt Berlin, der archäologischen Fachfirma und den beteiligten Baupartnern haben wir entschieden, den Tunnel nicht zu zerstören oder mit Beton aufzufüllen. Es war uns wichtig, den Tunnel durch das Verfüllen mit einem Flüssigboden zu sichern und auf eine Weise zu bewahren, die seinen Wert gebührend würdigt. Durch diesen behutsamen Umgang möchten wir sicherstellen, dass die Erinnerung an seine Bedeutung für kommende Generationen bewahrt bleibt.“

Es wurden acht Kubikmeter des RSS Flüssigbodens des FiFB Forschungsinstituts für Flüssigboden GmbH (Rezepturnummer 096-21 kf) in den Hohlraum eingefüllt. Der Flüssigboden ist stichfest und lässt sich mit einer Schaufel entfernen. Zugleich weist er die für den Neubau geforderten statischen Eigenschaften auf.

Während der Einfüllung wurden einige Hölzer des Tunnels geborgen, darunter ein Holz mit einem Nagel. Weitere den Hohlraum und damit den Tunnel gefährdende Eingriffe wurden nicht vorgenommen.

Landeskonservator Dr. Christoph Rauhut kündigte an: „Der nunmehr vor Ort verbliebene und dauerhaft gesicherte Hohlraum respektive Tunnel wird als Bodendenkmal in die Berliner Denkmalliste aufgenommen.“

Zur Geschichte des Tunnels:
Im Frühjahr 1970 legten Bauarbeiter aus Westberlin in der Bernauer Straße 80 den Tunnel an, um der Familie eines beteiligten Bauarbeiters die Flucht aus der DDR nach Westberlin zu ermöglichen (Dietmar Arnold, Sven Felix Kellerhoff, Die Fluchttunnel von Berlin, Berlin 2008, 146-147). Am 1. Mai unterrichtete das Ministerium für Staatssicherheit der DDR die Grenztruppen der DDR über den Tunnelbau. Am Abend des 1. Mai besetzten Ministeriumsvertreter die Kellerräume der Schönholzer Straße 20, 21 und 22, durch die mutmaßlich der Tunnel erreicht werden sollte. Mit dem Durchbruch der Fluchthelfer wurde in der Nacht vom 1. zum 2. Mai gerechnet. Eine Flucht durch den Tunnel ist nicht überliefert.

Der Tunnel hatte die Gesamtlänge von ca. 80 m. In den zeitgeschichtlichen Dokumenten ist sein Verlauf von der Bernauer Straße 80 in die Schönholzer Straße 22 dargestellt. Die Adressen liegen schräg gegenüber, so dass der Verlauf des Tunnels teils schräg, teils gerade und mit einer Einbiegung nördlich der Schönholzer Straße 22 abgebildet ist.

Der Tunnel tangierte im Bereich der Sperranlagen zunächst die Sektorengrenze, dann die Grenzmauer der ersten Generation nach 1961, Sicherheitsbereiche, Höckersperre, Postenkontrollweg und Signalanlagen.
Im Bereich der Bernauer Straße 26, und damit unmittelbar südlich der Grenzmauer, verlief der Tunnel nur etwa 2 m unter der Kellersohle der bereits abgetragenen Altbebauung. Über den Erhaltungszustand weiterer Teile des Tunnels ist nichts bekannt.

Dr. Karin Wagner, Abteilungsleiterin Archäologie im Landesdenkmalamt Berlin, sagte: „Der Hohlraum im dokumentierten Teilstück des Tunnels blieb in den letzten fünfzig Jahre nahezu unberührt und ist sehr gut erhalten. Damit kommt Bodenzeugnissen, die nach dem Abtrag der Berliner Mauer im Boden verblieben, eine hohe Denkmalbedeutung für die Überlieferung von originaler in-situ-Substanz der Berliner Mauer zu.“

Kontakt im Landesdenkmalamt Berlin:
Dr. Karin Wagner, karin.wagner@lda.berlin.de