Das Nikolaiviertel

Historisches Zentrum - neu entworfen

Die Bebauung auf der Fläche des heutigen Nikolaiviertels wurde während des Zweiten Weltkriegs fast vollständig zerstört. Bis in die 60er Jahre lehnten die Stadtplaner der DDR eine Rekonstruktion alter Strukturen ab.

1979 jedoch beschlossen Staatsführung, Parteigremien und Stadtverwaltung „zur Freude der Bürger“ Berlins ältestes Bauwerk, die Nikolaikirche, und bis zum Stadtjubiläum auch den umliegenden ältesten Teil Berlins, das Nikolaiviertel, in ursprünglicher Dichte wiederaufzubauen.

Der Ost-Berliner Magistrat schrieb einen Wettbewerb zur Gestaltung des Gebiets aus. Gewinner war das Team um Günter Stahn, Wolfgang Woigk und Reiner Rauer.

Historisches neu ausgedacht

Das Architektenteam schlug vor, die historische Gliederung des Gebiets mit den ursprünglichen Straßen und Plätzen weitgehend wieder herzustellen und ein Ensemble aus rekonstruierten und modernen Gebäuden zu erschaffen.

Die Gasse zum Spreeufer (in Verlängerung der Probststraße) sowie die Gasse „Am Nussbaum“ haben die Planer hinzugedichtet – die gab es historisch nicht. Auch einige historische Gebäude kamen hinzu, die dort nie standen. Ein bisschen Freilichtmuseum musste sein.

„Uns ging es nicht um die Rekonstruktion der Berliner Altstadt, sondern um die Rekonstruktion eines städtischen Raums, der das alte Berlin erlebbar macht“, sagte Günter Stahn 2007 in einem Interview.

Rekonstruktion mit Platte

Neuaufgebaute Bürgerhäuser im Stil des 17. und 18. Jahrhunderts dicht um die Nikolaikirche wurden durch eine moderne Wohnbebauung in Plattenbauweise ergänzt. Da der Plattenbautyp WBS70, der Ende der 1970er Jahre fast ausschließlich produziert wurde, sich nur bedingt für den Einsatz in der Innenstadt eignete, entwarfen Ingenieure zahlreiche Sonderlösungen.

Die tragenden Wandquerscheiben fertigte man monolithisch aus Beton vor Ort. An dieser Tragkonstruktion befestigten die Monteure die vorgefertigten Außenwandplatten. Der VEB Stuck und Naturstein Berlin stellte sie aus strukturiertem Waschbeton her – im Negativverfahren mit Abbinderverzögerer, was eine detaillierte Gestaltung der Oberfläche erst möglich machte.

Die Fassadenplatten hatten flexible Anschlüsse, um an vorhandene Bausubstanz anschließen und auch nicht-orthogonale Richtungsänderungen mitmachen zu können. Rasterzwischenmaße waren notwendig, um die gewünschte kleinteilige Raumstruktur überhaupt herstellen zu können.

Lisenen, Simse, Sockelplatten und Schaufensterrahmungen, ebenfalls aus Betonwerkstein, wurden schließlich den großen Außenwandplatten der Wohn- und Geschäftshäuser vorgehängt.